Ebook Wittgenstein und Heidegger: Die letzten Philosophen, by Manfred Geier
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Wittgenstein und Heidegger: Die letzten Philosophen, by Manfred Geier
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Pressestimmen
Manfred Geier verbindet definitorischen Scharfsinn mit stilistischer Eleganz. (FAZ)
Über den Autor und weitere Mitwirkende
Manfred GeierManfred Geier, geboren 1943 in Troppau. Studium der Germanistik, Philosophie und Politik in Frankfurt/Main, Berlin und Marburg. Promotion über Noam Chomskys Linguistik 1973. Habilitation 1980. Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Hannover 1982 bis 1998. Seitdem freier wissenschaftlicher Publizist, mit Schwerpunkt Philosophiegeschichte. Buchpublikationen, u.a.: Das Sprachspiel der Philosophen. Reinbek 1989; Der Wiener Kreis. Reinbek 1992; Karl Popper. Reinbek 1994; Das Glück der Gleichgültigen. Reinbek 1997; Orientierung Linguistik. Reinbek 1998; Fake. Leben in künstlichen Welten. Reinbek 1999; Kants Welt. Reinbek 2003; Martin Heidegger. Reinbek 2005; Worüber kluge Menschen lachen. Reinbek 2006; Was konnte Kant, was ich nicht kann? Reinbek 2006; Die Brüder Humboldt. Reinbek 2009; Aufklärung. Das europäische Projekt. Reinbek 2012; Geistesblitze. Eine andere Geschichte der Philosophie. Reinbek 2013; Leibniz oder Die beste der möglichen Welten. Reinbek 2016 (als E-Book); Wittgenstein und Heidegger. Die letzten Philosophen. Reinbek 2017.
Produktinformation
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Rowohlt Buchverlag; Auflage: 1. (17. Februar 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3498025287
ISBN-13: 978-3498025281
Größe und/oder Gewicht:
15,2 x 3,7 x 22,1 cm
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Manfred Geier, Sprach- und Literaturwissenschaftler aus Marburg legt eine Doppelbiographie der „letzten Philosophen“ vor. Es ist der bewährte Weg, entlang der Veränderung der Lebensumstände und Orte, den jeweiligen Stand der philosophischen Entwicklung beider zu skizzieren, natürlich in vielfältigem Bezug zu Zeitgenossen, Lehrern und Schülern, Verwandten und Freunden. Gleichzeitig wird zumindest in groben Zügen die Zeit- und Ideengeschichte entworfen, beginnend mit der Jahrhundertwende, die etwa mit der Gymnasialzeit beider zusammenfällt und endend 1951 mit Wittgensteins und 1976 mit Heideggers Tod. Man erfährt eine Menge Details aus den Lebensgeschichten, die die Auseinandersetzung mit ihren Werken zwar nicht ersetzen , aber doch willkommene Kristallisationspunkte und Verständnis erleichternde Erläuterungen für die reine Philosophie sind. Die meisten Leser, an die sich das Buch wendet, werden über Heidegger mehr wissen als über Wittgenstein, den ersterer hat es durch seinen Urgestein-Charakter, durch Todtnauberg-Hütte und Wanderkluft, durch Nazi-Rektorat und Spezialjargon und nicht zuletzt durchs posthum veröffentlichte Augstein-Interview leichter in die Medien und ins kollektive Gedächtnis geschafft als der verschroben-eigenbrötlerische anglo-österreichischer Kollege. Um so bewegender sind die Eckpunkte und Stimmungsbilder aus Wittgensteins Lebenslauf. Die Hoch- und Vielfachbegabung im Wien der ausgehenden Donaumonarchie. Eine Begabung, die im Grunde nichts auslässt. Sprachlich, analytisch-abstrahierend, technisch, mathematisch, handwerklich-ingenieursmäßig, philosophisch, musikalisch. An Musikalität reichte die Begabung wenigstens zweier Brüder in Professionelle. Man muss nur wenige Briefe der geliebten Schwester Hermine anlesen, um hier souveräne Sprachgewandtheit und Ausdrucksfähigkeit zu finden, die sich bei den Geschwistern vermutlich auch fand. Der Vater der kinderreichen Familie ( drei Töchter, fünf Söhne) offenbar nicht nur mathematisch-technisch-ingenieursmäßig eine Spitzenbegabung, sondern von einem Selbstbewusstsein und Unternehmergeist, die den Sechszehnjährigen! aus vermögender Familie nach Amerika auswandern ließen; dort alles in sich aufnehmend nach zwei Jahren zurückgekehrt mit Stahlkonzernen und Eisenbahnlinien der vermögendste Österreicher seiner Zeit wurde. Das schlossartige Stadtpalais, das er bewohnte und in dem der kleine Ludwig aufwuchs, war ein künstlerisch-kulturelles Zentrum Wiens. Brahms, Mahler, Hoffmansthal, Strauss, Bruno Walter waren häufige Gäste. Ein Geistesadel und eine kulturelle Urbanität, die einen fast sprachlos vor Bewunderung macht und der Bestürzung weicht, wenn man erfährt, dass alle vier Brüder Wittgensteins Selbstmord verübt haben. Auch Ludwig war zeitlebens immer wieder von schweren depressiven Krisen und suicidal gestimmten Erlösungsphantasien heimgesucht. Heidegger aus bescheidenen, fast ländlichen Verhältnissen – der Vater Küfner und Messner - , heimatlich verwurzelt im Schwarzwald, zunächst stramm katholisch, nimmt seinen Weg als begabtes Kind zunächst über Internat und Priesterseminar. Rasch löst er sich von der katholischen orthodoxen Lehre und bemüht sich recht zielstrebig und selbstbewusst um sein universitäres Fortkommen. Er wird in der Umbruchzeit der 20er Jahre zum akademischen Star und spätestens mit „Sein und Zeit“ zur Berühmtheit. Der relativ frühe Ruhm, gepaart mit dem Anspruch, die Metaphysik fundamentalontologisch neu zu denken und eine weiten Bogen zu den Vorsokratikern zu spannen, lässt ihn der Versuchung erliegen, im Nationalsozialismus eine unerhörte Chance zum Sprung in ein neues Zeitalter zu phantasieren. 1933/34 wird er Rektor in Freiburg und scheitert schnell. Nach einem glücklosen Jahr tritt er zurück. Das wird ihm anhaften, die Rückkehr auf seinen Lehrstuhl nach dem Kriege verhindern und ihn erstaunlich unbetroffen und abgehoben allen Schuldzuweisungen gegenüber zeigen. Er lebt in seiner eigenen, sicher auch stilisierten philosophischen Welt, willentlich getrennt von Fachdisziplinen und dem wissenschaftlichen Lärm der Zeit, nur seiner Seinsergründung und dem Wesen und Sinn des „Seyns“ nachspürend. Dabei schafft er sich eigene Begriffe und eine eigene Sprache, die natürlich auch kritisiert und karikiert worden ist.( „Jargon der Eigentlichkeit“ / T.W.Adorno ). Alles rührt an die letzten und ersten Dinge. Es geht um Sorge und Angst als Grundbefindlichkeit des Seins, um das Sein zum Tode und die Geschichtlichkeit des Daseins, die in unserer fortschrittssüchtigen, schnelllebigen und dem Fetisch der Modernität huldigenden Zeit verloren gehe. Diese Grundparameter des Seins wie Angst. Sorge, Langeweile, Schuld sind allerdings nicht existenziell sondern existenzial zu verstehen. Nicht Angst vor etwas, Sorge um etwas, Langeweile bei etwas oder Schuld an etwas interessieren Heidegger. Das sind an zufälligen Objekten sich konkretisierende Stimmungen an der Oberfläche der Lebenswelt. Sie sind banal und vulgär. Entsprechend zeigt Heidegger sich Schuldvorwürfen sein Nazirektorat betreffend erstaunlich uninteressiert und unbetroffen. Im geht es um das tiefere, grundsätzliche Ausgesetztsein des In-der-Welt-seins, das notwendigerweise von der Angst durchdrungen ist, ohne dass sie ein wovor angeben könnte. Auch sein Verständnis der Schuld hat nichts mit dem christliche Schuldbegriff zu tun oder dem Verstoß gegen ein säkular-naturrechtlich begründeten Gesellschaftsvertrag, der in Übertretung oder Unterlassung der Gemeinschaft etwas schuldig bleibt. Schuld ist vielmehr eine ontologische Kategorie, die sich unmittelbar aus der Existenz – oder Ek-sistenz wie Heidegger schreibt – ergibt und mit ihr verbunden ist, einfach durch ihren Ausgang aus dem Nichts. Hier knüpft er bei den Vorsokratikern an. Solange es um eine Kritik der technizistischen Moderne, der Vermessung und Verwissenschaftlichung der Lebenswelt, ihrer Verzweckung und Funktionalisierung geht, mag man ihm ja folgen. Im Rückblick auch prophetisches Talent bescheinigen, denn die Digitalisierung hat er nicht mehr erlebt. Im übrigen gibt es in diesem Horror vor der zweckrationalen Unterwerfung der Welt durchaus Berührungspunkte mit der Frankfurter Schule und seinem Erzfeind Adorno. Wenn er aber der Seinsvergessenheit, der ständigen Verfehlung des Seins im „man“ nachspürt und den Menschen zurückführen will aus dem angehäuften kulturellen Ballast in die Härte seines Schicksals, in sein Geworfen-sein, und den berühmten Vorlauf zum Tode, seine Endlichkeit, dann bekommt solche Radikalität eine große Unschärfe und seine Sprache wird mehr ein Raunen und beschwören als ein Bezeichnen. Ablenkung und Zerstreuung hinter sich zu lassen, ein „lediges Gemüte“ zu erlangen, das ist die Tonart der Mystik. „Die Leute brauchten nicht soviel nachzudenken, was sie t u n sollten; sie sollten vielmehr bedenken, was sie w ä r e n.“ Das sagt Meister Eckehart in den Reden der Unterweisung. Und in diese Richtung zielt wohl Heidegger, auch wenn er lange Zeit keinen Gottesbegriff mochte, was sich gegen Ende seines Lebens änderte. Wie anders das Herkommen Wittgensteins. Der schüchterne, aber hochtalentierte Spross aus bester Wiener Gesellschaft, Benjamin in der Geschwisterreihe, der lange nur Privatunterricht erhielt. Talente in alle Richtungen; mathematisch, technisch, handwerklich, sprachlich, abstrahierend-philosophisch, logisch, musikalisch, künstlerisch. Zeitlebens krisengeschüttelt und von tiefen Selbstzweifeln und Schuldgefühlen gepeinigt, die ihm bizarre Ideen eingaben. So die, sein gesamtes Vermögen an Geschwister und Künstler zu verschenken oder noch davor, sich umgehend als Kriegsfreiwilliger und einfacher Soldat zu melden. Dies tat er weder aus Begeisterung fürs Militär oder in Tagträumen, ein Held zu werden, noch aus patriotischer Gesinnung. Er verordnete sich diese Strapaze – er wusste, was auf ihn zukommt – weil er in dieser alle psychischen und physischen Kräfte beanspruchenden Extremsituation die einzige Möglichkeit sah, seinen inneren Aufruhr, die Teufel, die ihn plagten, zum Schweigen zu bringen. In den Pausen des Artilleriefeuers und kurzen Urlauben brachte er seinen „Tractatus logico-philosophicus“ zu Papier; eine unsystematische Sammlung überwiegend kurzer Bemerkungen zu philosophischen, psychologischen und erkenntnistheoretischen Problemen. Sie begründete seinen Weltruhm.Zum Philosophieren war er eher auf einem Nebenweg gelangt. Der studierte Maschinenbauingenieur brauchte die Mathematik, um aerodynamische Verbesserungen an Propellern vorzunehmen. Logisch-mathematische Fragen brachten ihn in Kontakt mit Frege, später Whitehead und Russell. Während des Krieges erarbeitete er Regeln einer geläuterten, an naturwissenschaftlichen Maßstäben orientierten Sprache, die eine sichere Unterscheidung von sinnvollen, verifizierbaren Aussagen und unsinnigen, metaphysischen Behauptungen gestatten sollte. Die Entsorgung metaphysisch-philosophischen Mülls, die vom ungeklärten Sprachgebrauch der Philosophen herrühre, begeisterte die logischen Positivisten des Wiener Kreises um Carnap, Neurath, Schlick, Mach und Reichenbach. Wittgenstein und sein Tractatusgenossen eine fast kultische Verehrung durch seine Mitglieder, die den Kontakt und das Gespräch mit ihm suchten. Wittgenstein aber war eher abwehrend und skeptisch und wich dem aus. Er teilte ihren antimetaphysischen Enthusiasmus keineswegs. Das wird schon aus wenigen, viel zitieren Reden des Tractatus klar. Erst recht zeigen die weiteren philosophischen Ausarbeitungen und mehr noch der Lebensweg Wittgensteins, dass es ihm keineswegs um eine Reduktion des menschlichen Erkenntnisstrebens und Trachtens und seinem sprachlichen Zeugnis davon auf pure Rationalität ging. Das Ringen um das Nicht-sagbare, das hinter der menschlichen Rede jederzeit begriffen wird, kennzeichnen sein angestrengtes Leben, sowohl in wissenschaftlich theoretischer wie intim persönlicher Hinsicht. Sprachtheoretisch gab er seine frühen Bemühungen um eine logische Sprache und eindeutige Zuordnungen weitgehend auf und entwickelte die fruchtbare Idee des Sprachspiels und der Entstehung einer Wortbedeutung allein aus dem Gebrauch. Persönlich war er zerrissen zwischen seinem wissenschaftlichen, logisch-philosophischen Interesse und einer stets lauernden Entwertung jeglicher Theorie. Er war ein religiöser Mensch. Die „Confessiones“ des Augustinus und die „Kurze Darlegung des Evangeliums“ von Leo Tolstoi waren ihm Schlüsseltexte. Nun parallelisiert Geiers Buch ja die Lebensgeschichten und Werke beider Philosophen. Sie sind Kinder ihrer Zeit, teilen ( mit Hitler ) sogar das Geburtsjahr, aber ist das bei so grundverschiedenen Temperamenten und Lebenswegen überhaupt sinnvoll? Ich denke wohl. Eine der am häufigsten zitierte Aussagen aus dem Tractatus ist die Bemerkung 6.52: „Wir fühlen, dass, selbst wenn alle m ö g l i c h e n wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“ Dieser berückend poetischen Illustration des unüberbrückbaren Abstandes zwischen (formulierend) Denken und Sein, könnte Heidegger sicher zustimmen. Alle möglichen wissenschaftlichen Fragen waren für ihn Rauschen, genauer Ge-stell und Ge-rede. Unser Eigentliches, das Sein liegt danach oder dahinter. Ich habe das Buch gern gelesen. Sein Wert liegt für den Nicht-Fachgelehrten in der ordnenden Zusammenstellung vieler Gesichtspunkte und vieler Zitate. Es ermutigt den Leser, hie und da die Originalwerke zur Hand zu nehmen.
Sie sind sich - soweit bekannt ist - niemals persönlich begegnet, die beiden größten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Doch haben sie ihr jeweiliges Denken und Schaffen durchaus zur Kenntnis genommen und beurteilt. Vielsagend ist dabei Heideggers Bemerkung zu einer von Wittgenstein berühmtesten Sentenzen aus seinem Tractatus logico-philosophicus: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen", welchen Heidegger süffisant in seiner persönlichen Ausgabe handschriftlich wie folgt kommentierte: "Darüber kann man auch nicht schweigen. Schweigen kann nur, wer etwas zu sagen hat, wovon er sprechen kann." (125) Und in der Tat lagen Welten zwischen dem in eine reiche Familie hineingeborenen Ludwig Wittgenstein – eigenbrötlerisch, sensibel, fast schon ein wenig autistisch -, der es sich zum Ziel gesetzt hat, in seiner formelhaften Sprache alle Widersprüche der menschlichen Welt logisch aufzuheben, und dem großen fundamentalontologischen Metaphysiker Martin Heidegger, der in seiner eigenen Sprache dem Sein versuchte auf die Spur zu kommen und – fest in seiner badischen Heimat verwurzelt – sein Dasein mit unzähligen außerehelichen Affären bereicherte. In der nun erschienen Doppelbiografie "Wittgenstein und Heidegger: Die letzten Philosophen" erzählt Manfred Geier parallel chronologisch verlaufend das Leben und Denken dieser beiden so unterschiedlichen Ausnahmeerscheinungen. Herausgekommen ist ein kleines Meisterwerk, welches zum einen eine hervorragende Einführung in die jeweilige Lebens- und Gedankenwelt liefert, zum anderen eine sehr anschauliche Rekonstruktion des entsprechenden Kontextes bietet, auf Grundlage dessen Wittgenstein und Heidegger ihr geistiges Universum entfalteten.Wittgenstein, jüngster Sohn eines Wiener Großindustriellen, der sich nach seiner Ausbildung von seiner Familie entfernte, als Dorfschullehrer in der Provinz seine Ruhe suchte, dann aber, nachdem er einen Schüler bewusstlos geschlagen hat, seiner intellektuellen Passion nachging und sich der Logik widmete: "Logische Sätze sollen zeigen, dass sie sinnlose Tautologien sind." (104) Durch seinen sprachlogischen Ansatz, gemäß dessen alles irrelevant sei, was nicht beweisbar ist, war Wittgenstein und der ihm nahestehende sogenannte Wiener Kreis ein natürlicher Gegenpart zu Heidegger: "Der Wiener Kreis war von der Sinnlosigkeit der Metaphysik überzeugt, deren Aussagen weder wahr noch falsch sein konnten und sich ihrer Verifizierbarkeit ebenso entzogen wie ihrer Falsifizierbarkeit." (199) Doch eines hatten sie dann doch gemeinsam: Beide zogen sich zum Denken und Schreiben in ihr jeweiliges Refugium zurück. Bei Heidegger war es seine berühmte einfache Holzhütte in Todtnauberg, die sich zu einer Art Wallfahrtort für Heideggerianer entwickelt hat. Wittgenstein hingegen suchte teilweise für Monate sein Holzhaus in der norwegischen Wildnis auf, wo er seine wichtigsten Werke verfasste. In seiner Schwarzwälder Hütte begab sich Heidegger auf die Suche nach dem Sein, etwas, was per definitionem nicht logisch zu verifizieren oder falsifizieren ist. Dabei war Heidegger kein – wie häufig zu lesen ist – Existentialist. Ihm ging es nicht um den konkreten Vollzug des Daseins, also des tatsächlichen menschlichen Lebens. Ihm ging es um die fundamentalontologischen Grundbedingungen alles Seienden. Nicht existentiell-ontisch, sondern existenzial-ontologisch war sein Fokus. (vgl. 266) Als solche Existenziale identifizierte Heidegger unter anderem Sorge, Angst, das Man und die Gewesenheit. (vgl. 155)Heidegger und Wittgenstein, Metaphysiker und Anti-Metaphysiker, sind keine einfachen Philosophen, die man sich mal so eben en passant aneignen kann. Doch die Mühe lohnt sich, denn beide Denker eröffnen Horizonte, die noch heute maßgeblich zum Verständnis unserer mittlerweile hyperbeschleunigten Gegenwart beitragen können. Für Manfred Geier markieren Heidegger und Wittgenstein das Ende einer Epoche, der Epoche der Solitäre, die einsam denkend Antworten auf die ganz großen Fragen suchen. Heute sei es nicht mehr der Einzelne, der gefragt sei, "sondern eine international vernetzte Kooperation von Fachleuten, die dazu ausgebildet worden sind, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse argumentativ die Probleme zu behandeln, die es aktuell vor allem in praktisch-ethischer Hinsicht zu lösen gilt." (397) Diesen letzten Einzelnen setzt Manfred Geier in seinem fantastischen Buch ein würdiges Denkmal!
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